Digitalisierung und Innovation made in Liechtenstein
Banker reden seit Längerem bereits am Frühstückstisch über FinTech, RegTech oder SupTech. Ein untrügliches Zeichen, dass die Digitalisierung in Finanzdienstleistungen allgegenwärtig und Realität ist. Vor ein paar Jahren sahen Schwarzmaler bereits den Untergang des traditionellen Bankings. Der Begriff der Disruption machte die Runde. Und gemäss vieler Experten waren die Banken Dinosaurier, die von kleinen agilen FinTech-Unternehmen oder den Silicon Valley-Giganten aufgefressen würden.
Und heute. Den Dinosauriern geht’s prächtig. Nicht mehr Disruption ist das Szenewort, sondern Kooperation – also die Zusammenarbeit zwischen Banken und FinTechs entlang der Wertschöpfungskette. Haben sich diese so genannten Experten schlichtweg geirrt? Wieso fand keine «uberization» im Banking statt? Eine Rolle spielt sicher das Vertrauen. Es hat nun mal ein anderes Gewicht, sein ganzes Vermögen jemandem anzuvertrauen, als wenn man bloss ein Buch kauft. Doch das alleine ist keine ausreichende Erklärung und auch nicht mein Thema.
Ein Hauptgrund ist, dass für die Banken die Digitalisierung nämlich nichts Neues ist. Sei es Vermögensverwalter oder Retailbank – jedes Finanzinstitut war davon schon immer betroffen. In zwei Bereichen wurde und wird viel investiert. Einerseits steht man im Frontend im dauernden Wettbewerb. Dort geht es darum, durch die Digitalisierung den Kunden bessere, massgeschneiderte Dienstleistungen anbieten zu können. Im Backend andererseits werden laufend die internen Prozesse und Kosten optimiert.
Für Liechtenstein gilt, dass nicht bloss die Banken, sondern erfreulicherweise auch die Regierung und die Finanzmarktaufsicht (FMA) das Potential der Digitalisierung früh erkannt und zwei unterstützende Initiativen ins Leben gerufen haben. Das Regulierungslabor der FMA ist die erste Anlaufstelle, wo FinTech-Firmen zu Regulierungs-, Bewilligungs- und Aufsichtsfragen einen Dialog führen können. Innovation soll dadurch erleichtert werden, ohne den Kundenschutz zu schwächen. Mit den sogenannten Innovations-Clubs stellt die Regierung einen staatlich geförderten Innovationsprozess für Jungunternehmen zur Verfügung, die mit neuen Geschäftsideen in Liechtenstein Fuss fassen möchten. Bei beiden Initiativen profitieren die traditionellen Banken, in dem wichtiges Know-how ins Land gelangt und kooperative Geschäftsmodelle vor Ort entwickelt werden können.
Das Rad dreht aber weiter und immer schneller. Blockchain ist das neue Wunderwort. Seit der Kurs von Kryptowährungen wie Bitcoin in ungeahnte Höhen gestiegen und mit seinen täglichen Kursausschlägen für Furore oder jüngst auch für Verzweiflung sorgt, dominiert dieser Begriff die Schlagzeilen. Blockchain ist nicht nur die zugrunde liegende Technologie dieser Währungen, sondern deckt viel mehr ab, oder anders ausgedrückt: Bitcoin ist nur eine von vielen Blockchain-Anwendungen. Und mittlerweile sind sich auch alle einig, dass die Blockchain-Technologie die gesamte Finanzindustrie revolutionieren wird. Kein Wunder, dass dies auch den Regulator auf den Plan gerufen hat. Das Thema dominiert denn auch sowohl auf EU-Ebene als auch in verschiedenen internationalen Gremien die Diskussionen, was wiederum Einfluss auf das EWR-Land Liechtenstein haben wird.
Rasche Veränderungen und neue Technologien führen vor allem bei uns (über)vorsichtigen Europäern oft dazu, dass die Risiken und Gefahren vermutlich zu stark betont werden. Dieser Ansatz gilt es bei aller Vorsicht und dem nötigen Risikobewusstsein zu überdenken. Innovation sollte nicht bereits aufgrund von Angst vor dem Unbekannten oder möglichen Risiken im Keim erstickt werden. Das Finanzgeschäft ist und bleibt ein Geschäft mit Risiken. Wichtig ist, diese richtig und angemessen zu managen. Wir sind überzeugt, dass die Chancen der neuen Technologie die damit verbundenen Risiken überwiegen. «Die Verantwortung steht im Verhältnis zu den Chancen», sagte bereits Woodrow Wilson. Blockchain bietet den Banken die Möglichkeit noch besser ihre Kunden und deren Bedürfnisse zu kennen und Banking ganz anderes zu betreiben. Ferner bietet gerade die Blockchain die Möglichkeit, Transaktionen sicherer und transparenter, da besser nachvollziehbar, auszuführen.
Nicht zuletzt dank der beherzten Initiative einzelner Banken zeigt sich Liechtenstein in dieser Frage als «nicht typisch europäisch». Internationale Spezialisten anerkennen dies. Das Fürstentum hat sich weit über die FinTech- und Blockchain-Szene und über die Sprachgrenze hinaus einen Namen gemacht. Insbesondere die Ankündigung der Regierung für ein Blockchain-Gesetz hat zu grosser internationaler Aufmerksamkeit geführt. Dies widerspiegelt sich auch darin, dass Liechtenstein gerade erst am Crypto Challenge Forum in London den Preis "Blockchain Ecosystem of the Year" gewonnen hat.
Die Komplexität und die Dynamik nehmen jedoch laufend zu – sowohl in regulatorischer als auch technologischer Hinsicht. Für Liechtenstein heisst dies, dass sich Branche, Politik und Aufsicht weiterhin eng koordinieren müssen, so dass die Gesetze und Regulierungen nicht toter Buchstabe bleiben. Gleichzeitig gilt es der in der vergangenen Dekade stetig aufgebauten positiven Wahrnehmung des Finanzplatzes Sorge zu tragen. Darüber hinaus kennen weder regulatorische noch technologische Standards Landesgrenzen. Grenzüberschreitende Zusammenarbeit wird entscheidend sein. Nicht zuletzt müssen sich daraus Geschäfte entwickeln und Arbeitsplätze geschaffen werden. Regierungen und Aufsichtsbehörden müssen weiterhin bereit sein, die Rahmenbedingungen laufend den veränderten technologischen Ansprüchen anzupassen und nahe an der Praxis zu bleiben. Es gilt für einmal der Grundsatz: «Es geht nicht um unsere Leistung, es geht um unsere Vision und unseren Ehrgeiz.» Und schliesslich steht uns die grösste Herausforderung noch bevor, nämlich diesen technologischen Wandel für die Transformation der Wirtschaft zu mehr Nachhaltigkeit nutzbar zu machen. Der neueste IPCCC-Bericht ist nicht mehr nur ein Weckruf – er ist ein Tritt in den Hintern. Oder um es mit den Worten von Pat Cox, dem ehemaligen Präsidenten des EU-Parlaments zu sagen: «Wir sind die erste Generation, die unseren Planeten zerstört, und wir sind die letzte, die ihn noch retten kann.» Allerdings ist Führung notwendig, um die für eine nachhaltige Zukunft notwendigen Billionen zu erschliessen. Blockchain ist das WIE, Nachhaltigkeit das WAS.