Nachhaltigkeit ist wichtig
Das Fürstentum und der Finanzplatz Liechtenstein setzen sich für Nachhaltigkeit ein. Das ist seit Langem bekannt. Weniger bekannt jedoch ist die Tatsache, dass sich der gewählte ganzheitliche Ansatz an den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen (SDG, Sustainable Development Goals) orientiert.
Von Paris bis New York
Der Kampf gegen den Klimawandel ist aktuell zu Recht in aller Munde. Nach dem vierten Rekordsommer in diesem vergleichsweise noch jungen Jahrhundert machen mittlerweile nicht mehr nur Umweltaktivisten, Wissenschaftler und vereinzelte Medien oder Politiker verstärkt auf Klimafragen aufmerksam. Das Thema ist nun endlich in der breiten Bevölkerung angekommen. Sorgen um die Zukunft trüben vielen Menschen die Freunde am schönen Wetter. Abtauende Gletscher, Plastikmüll in unseren Meeren, Hochwasserkatastrophen in Asien, Hurrikane in Florida und in der Golfregion oder Grönland-Touristen in Shorts sind Teil einer Gegenwart, der sich niemand mehr verschliessen kann. Nahezu täglich lesen oder hören wir davon in den Medien.
Die Welt steht vor sehr grossen Herausforderungen. Die aktuelle Situation wie auch der Ausblick für das Klima sind alarmierend. Es besteht ernsthafter und dringender Handlungsbedarf. Wir müssen rasch und entschieden die Wirtschaft umgestalten und unser Verhalten ändern. Nur so können wir dem Klimawandel erfolgreich begegnen, so dass die Klimaziele von Paris nicht nur ein reines Lippenbekenntnis bleiben. Kein Land, kein Unternehmen und keine Institution kann auf sich allein gestellt alle Probleme und Herausforderungen meistern – zu gross ist ihre Komplexität, zu global ihr Ausmass.
Die notwendige Transformation wird Unsummen von Geld verschlingen. Allein in der EU werden zur Umsetzung des Übereinkommens von Paris rund 180 Milliarden Euro an zusätzlichen Investitionen benötigt. Ein Grossteil davon muss aus der Privatwirtschaft kommen. Der Bankensektor ist zum Handeln aufgerufen und spielt eine zentrale Rolle dabei, diese finanziellen Ressourcen zu mobilisieren und in die richtigen Kanäle zu lenken. Dabei hält eine nachhaltige Finanzwirtschaft enorme Chancen für den Finanzdienstleistungssektor in ganz Europa bereit, während Untätigkeit in Sachen Nachhaltigkeit gleichermassen grosse Risiken birgt. Die EU-Kommission hat dies erkannt und positioniert sich mit ihrem sehr umfassenden regulatorischen Massnahmenpaket aktuell klar als Schrittmacher bei nachhaltigen Kapitalanlagen. Der am 18. Juni veröffentlichte Bericht der Technical Expert Group on Sustainable Finance (TEG) der Europäischen Kommission markiert einen Meilenstein in den Bemühungen der Kommission, den Finanzsektor zu einem starken Akteur im Kampf gegen den Klimawandel und für die Umsetzung der Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDG) zu machen, indem man die Branche verstärkt auf das Übereinkommen von Paris und die von den Vereinten Nationen aufgestellte Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung ausrichtet. Die Taxonomie selbst bildet sozusagen das Herzstück der Berichte. Sie begründet die bisher noch fehlende gemeinsame Sprachregelung und wird dadurch für Klarheit in der Diskussion um «grüne», «verantwortliche» und «nachhaltige» Produkte und Praktiken unter den Akteuren im Finanzbereich wie auch den allgemeineren Anspruchsgruppen sorgen. Sie wird somit als wichtiges Hilfsmittel Anleger und andere Finanzakteure bei der Förderung einer nachhaltigen Wirtschaft sowie im Dialog mit Unternehmen unterstützen.
Jeder Beitrag zählt
Dem Bankenzentrum Liechtenstein war Nachhaltigkeit schon immer ein grosses Anliegen. Insofern ist es nur logisch, dass der Liechtensteinische Bankenverband (LBV) diese Entwicklungen begrüsst und unterstützt. Die künftigen Vorschriften und insbesondere die Taxonomie werden als wichtige Orientierungshilfe zu einer fundierteren Entscheidungsfindung beitragen und damit in breiterem Umfang verantwortliche Kapitalanlagen ermöglichen. Das schafft die Voraussetzungen, dass Finanzintermediäre ihrer Rolle und Verantwortung als Berater und Partner des Vertrauens im Interesse der Kunden gerecht werden können.
Das Engagement für eine nachhaltige Finanzwirtschaft ist Teil der langfristigen Strategie des Liechtensteinischen Bankenverbands. Aus diesem Grund hat sich der LBV im April 2018 auch dem internationalen Netzwerk Financial Centres for Sustainability (FC4S) angeschlossen. Das FC4S-Netzwerk ist als Partnerschaft zwischen Finanzzentren und dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen strukturiert und fungiert dabei als Organisationsverantwortlicher (Convenor) und Sekretariat. Das Netzwerk soll u. a. den Erfahrungsaustausch fördern und im Zusammenhang mit gemeinsamen Prioritäten konzertierte Aktionen zur beschleunigten Entwicklung eines grünen und nachhaltigen Finanzwesens durchführen. Die langfristige Vision des FC4S-Netzwerks besteht darin, der grünen und nachhaltigen Finanzwirtschaft durch den Ausbau der internationalen Vernetzung sowie durch Rahmenbedingungen für gemeinsame Initiativen zu einem starken globalen Wachstum an allen grossen Bankenplätzen der Welt zu verhelfen. Aktuell gehören dem FC4S Mitglieder aus über 25 Ländern an.
Aber Nachhaltigkeit ist mehr als «nur» Klimaschutz. Das haben die Vereinten Nationen frühzeitig erkannt und bereits 2015 ihre 17 «Ziele für nachhaltige Entwicklung» (Sustainable Development Goals, SDGs) verabschiedet. Diese Ziele stellen ein gemeinsames Konzept für eine bessere, nachhaltige Zukunft für alle Menschen dar und tragen der Tatsache Rechnung, dass die Beseitigung von Armut und anderen Benachteiligungen Hand in Hand mit Strategien gehen muss, die zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung und des Bildungswesens, zur Verringerung von Ungleichheit und zu mehr Wirtschaftswachstum beitragen, und dabei gleichzeitig der Klimawandel eingedämmt und der Erhalt unserer Meere und Wälder gesichert werden muss. Daher gehen die Ziele auf alle globalen Herausforderungen ein, denen wir als Gesellschaft in ihrer Gesamtheit gegenüberstehen. Sie sind untereinander verknüpft und darauf ausgerichtet, niemanden zurückzulassen.
Der private und der öffentliche Sektor stehen gemeinsam in der Pflicht
Die Regierung von Liechtenstein hat im Juli dieses Jahres ihren ersten Zwischenbericht zur Umsetzung der Ziele veröffentlicht. Darin verweist sie darauf, dass eine nachhaltige Entwicklung seit Langem zu ihren obersten Prioritäten gehört und sich daran bis heute nichts geändert hat. Liechtenstein hat dank einer konsequenten Förderung von Solarenergie den höchsten Pro-Kopf-Anteil installierter PV-Kapazitäten und ist damit seit 2015 «Solarweltmeister». Jede einzelne Kommune im Fürstentum engagiert sich entschlossen für mehr Energieeffizienz und darf sich als «Energy City» bezeichnen. Dadurch wurde Liechtenstein zum ersten «Energy Country» weltweit.
In zwei anderen Bereichen hat Liechtenstein öffentlich-private Partnerschaften ins Leben gerufen, die in ihrer Art einmalig sind und eine Vorreiterrolle einnehmen. Im Zusammenhang mit dem Weltwassertag am 22. März 2019 wurde die Initiative «Waterfootprint Liechtenstein» gegründet. Das Prinzip des Projekts lautet ohne Umschweife: «Leitungswasser trinken. Trinkwasser spenden.» Liechtenstein will mit dieser Kampagne das erste Land der Welt werden, das für jeden seiner Einwohner einem von Wasserarmut betroffenen Menschen den Zugang zu sauberem Trinkwasser ermöglicht. In der Umsetzung bedeutet dies, dass damit die Lebensbedingungen für etwa 37’500 Menschen in Not verbessert werden. Die Waterfootprint Initiative befindet sich auf gutem Weg, dieses Ziel zu realisieren. Bislang wurden insgesamt mehr als 22’000 «Wasser-Fussabdrücke» aktiviert. Die Regierung, Schulen, alle Gemeinden sowie zahlreiche Unternehmen, darunter sämtliche Liechtensteiner Grossbanken und der LBV, unterstützen das Projekt, indem sie auf den Kauf von in Flaschen abgefülltem Mineralwasser verzichten und stattdessen ausschliesslich heimisches Leitungswasser trinken.
Engagement und Zusammenarbeit über Länder hinweg sind entscheidend
Das zweite Leuchtturmprojekt ist die so genannte «Liechtenstein Initiative» gegen Menschenhandel und moderne Sklaverei. Es handelt sich dabei um eine Partnerschaft der Regierungen Liechtensteins, Australiens und der Niederlande mit dem United Nations University Centre for Policy Research sowie einem aus Banken, philanthropischen Stiftungen und Verbänden bestehenden Konsortium. Der LBV und seine Mitglieder gehören diesen Förderorganisationen an – aus guten Gründen.
Die Vereinten Nationen (VN) gehen davon aus, dass heute mehr als 40 Millionen Menschen in Gefangenschaft leben, durch Zwangsarbeit ausgebeutet werden oder unter einer anderen Form von Knechtschaft leiden. Etwa 25 Millionen Menschen werden in die Zwangsarbeit gedrängt, 16 Millionen davon in der Privatwirtschaft. Zwar leben 58 Prozent der Menschen, die als Sklaven arbeiten, in Indien, China, Pakistan, Bangladesch und Usbekistan, doch gibt es auch in Europa etwa eine Million Menschen, die unter sklavereiähnlichen Verhältnissen leben. Die von ihnen hergestellten Waren wie Textilien oder Nahrungsmittel landen in vielen Fällen in den normalen Vertriebskanälen. Nach Schätzungen der internationalen Arbeitsorganisation der Vereinten Nationen werden über Sklaverei und Menschenhandel weltweit jährlich rund 150 Milliarden US-Dollar umgesetzt. Hier kommt der Finanzsektor ins Spiel. Er kann in verschiedener Hinsicht mit moderner Sklaverei und Menschenhandel in Zusammenhang gebracht werden. So fliessen beispielsweise Gelder aus solchen Praktiken über das Bankensystem oder es werden Waren und Dienstleistungen finanziert, die aus Lieferketten stammen, in denen moderne Sklaverei und Menschenhandel zum Geschäft gehören. Studien zufolge sind moderne Sklaverei und Menschenhandel heute weltweit die häufigsten Vortaten für Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung.
Angesichts der globalen Natur dieser Aktivitäten und weil die Aufdeckung von Missbrauch den Zugang zu Finanzdaten bedingt, ist die Beteiligung des weltweiten Finanzsektors am Kampf gegen moderne Sklaverei und Menschenhandel unabdingbar. Die Finanzgemeinde und die Aufsichtsbehörden in Liechtenstein verfügen mit Blick auf Massnahmen gegen gesetzwidrige Kapitalströme über weitreichende Expertise. Sie können daher bei der Bekämpfung von Menschenhandel und moderner Sklaverei eine Vorreiterrolle übernehmen, sei es über die Einführung hoher Due-Diligence-Standards, die Entwicklung verantwortlicher Kapitalanlageprodukte oder die Förderung integrativer Finanztechnologien. Aus diesem Grund und im Bewusstsein um diese Verantwortung haben sich die Liechtensteiner Banken sowie der LBV zur aktiven Unterstützung der «Liechtenstein Initiative» entschlossen. Die Kommission hat seit September 2018 im Rahmen verschiedener globaler Konsultationen die Ansätze des Sektors zur Entwicklung von Compliance-Verfahren gegen Sklaverei und Menschenhandel sowie für die Konzeption verantwortlicher Kreditvergabe- und Kapitalanlagepraktiken und die Innovationstätigkeit im Finanzsektor erörtert. Bei diesen Zusammenkünften stellen Experten aus aller Welt ihre Untersuchungen und Initiativen vor. Auf der Grundlage dieser Konsultationen wird derzeit ein Massnahmenkatalog ausgearbeitet, der den globalen Finanzsektor in den Mittelpunkt der weltweiten Bemühungen stellt. Dieser Katalog soll nicht nur dazu dienen, gegen Organisationen und Personen vorzugehen, die sich illegal und auf Kosten anderer bereichern. Er enthält darüber hinaus Empfehlungen an Finanzinstitute, wie sich diese vor derartigen Investitionen und Geschäften schützen können. Im September 2019 präsentierte die Kommission auf der 74. Sitzung der VN-Generalversammlung ein Konzept zur Forcierung der Massnahmen gegen moderne Sklaverei und Menschenhandel.
Es ist an der Zeit, unwürdige Arbeitsbedingungen und Zwangsarbeit ein für alle Mal zu verbannen. Dies wäre auch ein Beitrag zu einem besseren Klimaschutz. Warum? Rechtskonforme Arbeitsplätze können so reguliert werden, dass Umweltverschmutzung und Ressourcenverschwendung verringert werden. Der Kreis zu den «Pariser Zielen» schliesst sich und der ganzheitliche Ansatz Liechtensteins erscheint damit sogar noch sinnvoller.
Links
Financial Sector Commission zum Thema moderne Sklaverei und Menschenhandel
Liechtenstein Initiative für den Finanzsektor gegen Sklaverei und Menschenhandel
Ziele einer nachhaltigen Entwicklung (Sustainable Development Goals (SDGs))
Universität der Vereinten Nationen
Vereinigung liechtensteinischer gemeinnütziger Stiftungen und Trusts
Internationale Arbeitsorganisation zu Menschenhandel und moderner Sklaverei
Offizielle Homepage der 74. Generalversammlung der Vereinten Nationen