Besteuerung der digitalisierten Wirtschaft – Vorschläge der OECD
Durch die zunehmende Digitalisierung der Wirtschaft erfahren viele Geschäftsmodelle nachhaltige Veränderungen. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) erarbeitet deshalb Vorschläge, wie die Unternehmensbesteuerung grenzüberschreitend längerfristig an die neuen Entwicklungen angepasst werden kann.
Mit 12. Oktober 2020 hat die OECD konkrete Vorschläge zur Lösung der steuerlichen Herausforderungen der digitalisierten Wirtschaft veröffentlicht (Blueprint Pillar One und Blueprint Pillar Two). Mit globalen Massnahmen soll ein Wirrwarr nationaler Massnahmen verhindert werden, da solche Alleingänge Innovation und Wirtschaftswachstum behindern und Rechtsunsicherheit schaffen würden. Im Gegensatz zur ursprünglichen Aufgabenstellung der OECD, sollen die aktuell publizierten Regeln nicht nur grosse internationale Digitalfirmen (bspw. Amazon, Apple etc.) betreffen, sondern grenzüberschreitend tätige Unternehmen mit digitalen Geschäftsmodellen (multinationale Unternehmen). Diese neuen Regeln würden international zu einer Neuordnung der unternehmenssteuerlichen Rahmenbedingungen führen.
Im Oktober 2020 hat die OECD beschlossen, die Arbeiten aufgrund zahlreicher noch offener Fragen weiterzuführen. Derzeit hält die OECD eine öffentliche Konsultation zu den beiden Vorschlägen (Blueprint One und Two) ab. Diese endet am 14.12.2020. Erste Beschlüsse sollen Mitte 2021 gefasst werden.
Die OECD Lösungsvorschläge basieren auf zwei Säulen (sogenannte Pillar).
Säule 1 (Pillar One):
Dieses Modell definiert in welchen Staaten der Gewinn eines multinationalen Unternehmens besteuert werden kann und beinhaltet somit die Ausweitung und Neuverteilung von Besteuerungsrechten zwischen Ansässigkeits- und Marktstaaten (neue Anknüpfungspunkte einer Unternehmensbesteuerung und Änderung des Gewinnzuteilungsmechanismus zwischen den Staaten).
Neu sollen Konzerngewinne auch dort besteuert werden, wo sie ohne physische Marktpräsenz (traditionelle Betriebsstätte) erzielt werden. Damit würde zukünftig das Besteuerungsrecht nicht nur auf eine physische Präsenz, sondern auch auf Umsätze in einem Marktstaat beruhen, in welchem digitale Dienstleistungen bereitgestellt werden, unabhängig davon, ob diese Umsätze durch Direktgeschäfte oder über lokale Vertriebspartner erzielt werden. Dies wird zu einer Verschiebung der Steuereinnahmen von Sitzstaaten grosser Konzerne hin zu den Marktstaaten führen.
Anwendung sollen die Regelungen auf digitalisierte Geschäftsmodelle sowie auf Geschäftsmodelle mit Endverbraucher-Bezug («consumer-facing business») finden. In Säule eins werden auch Geschäftsmodelle aufgeführt, welche explizit nicht unter die neuen Regeln fallen sollen («carve-outs»). Die genaue Abgrenzung des Anwendungsbereichs wird nach der aktuellen Konsultationsphase sein, ebenso wie die Frage einer möglichen Begrenzung auf grosse multinationale Unternehmen (beispielsweise ab der für das Country-by-Country Reporting geltenden Grenze von 750 Mio. €).
Über die Höhe des Mindeststeuersatzes wurde noch keine Entscheidung getroffen, da aktuell noch technische Details ausgearbeitet werden.
Säule 2 (Pillar Two):
In Säule 2 werden globale Mindestbesteuerungsregeln von Unternehmensgewinnen festgelegt (Global Anti Base Erosion, GLoBE). Ziel dieser Regelungen ist unter anderem zu verhindern, dass Gewinnverlagerungen in Niedrigsteuerländer erfolgen. Dabei soll durch eine globale effektive Mindestbesteuerung sichergestellt werden, dass jedes Unternehmen unabhängig von seinem Firmensitz oder seinen Betriebstätten einen fairen Steuerbeitrag leistet.
Dabei werden zwei Massnahmen definiert. Erstens eine Ausweitung der nationalen Regelungen zur Hinzurechnungsbesteuerung («Income Inclusion Rule») und zweitens die Begrenzung des Betriebsausgabenabzugs, wenn ein effektives Mindestbesteuerungsniveau unterschritten wird («Undertaxed Payments Rule»). D.h. wird ein Gewinn im Ausland nicht hinreichend besteuert, dürfen Quellenstaaten (also die Länder, in denen Einkommen erzielt wird) die Differenz zwischen dem Niedrigsteuersatz und dem Mindeststeuersatz erheben. Weitere Massnahmen die in Säule 2 ergänzend zur Anwendung kommen zielen auf eine Verneinung von bestehenden Abkommensvorteilen ab (bspw. «Switchover Rule» oder «Subject to tax Rule»).
Die konkreten Auswirkungen der künftigen neuen Regeln sind noch nicht absehbar, da deren Gestaltung noch ungewiss ist. Die Auswirkungen der Massnahmen auf die einzelnen Staaten und die Steuerbelastung der Unternehmen werden signifikant davon abhängen, wie das effektive Steuerniveau vor der Einführung der neuen Regeln war und welches globale effektive Mindestbesteuerungsniveau angestrebt wird.